Entspannt sitzt Nina Eich mir gegenüber. Der moderne Besprechungstisch steht im rustikalen Sitzungszimmer eines kleinen, historischen Müllerei-Gebäudes in Müllheim im Thurgau. Damit ist aber auch schon Schluss mit der verklärten Mühlenromantik aus Grimms Märchenwelt, denn Nina Eich spielt hier nicht die schöne Müllerin, sondern ist Marketing-Managerin der Schweizerischen Schälmühle Zwicky AG. Und die umliegenden Gebäude sind, wenn auch nicht besonders attraktive, so doch hochfunktionale und moderne Produktionsanlagen für Nahrungsmittel.
Die studierte Wirtschaftswissenschaftlerin „kümmert sich in Teilzeit ums Marketing“, wie dies hier im beschaulichen Thurgauer Hinterland genannt wird. In der Praxis bedeutet dies, dass sie von der Strategiefestlegung, der Zusammenarbeit mit Agenturen, der Kommunikationsplanung bis hin zur operativen Umsetzung alles macht. Im Zweifelsfall auch mal ein Paket schnüren und zur Post bringen. „Einen vielfältigeren Job kann ich mir eigentlich nicht vorstellen“, sagt sie und nimmt es mit Humor.
Dabei zeigte der berufliche Weg von Nina Eich lange Zeit in eine komplett andere Richtung. Nach ihrem Studium in Deutschland und Schweden begann sie eine steile Karriere im Unilever-Konzern, leitete ein Team von hochqualifizierten Product-Managern und war zum Schluss für Topmarken wie zum Beispiel Rama verantwortlich. „Sieben Jahre lang Höchstleistungen unter Höchstdruck“, erzählt sie, „da habe ich Mitarbeiter und Kollegen kommen und gehen sehen“. Denn: Drei, vier Jahre Vollgas geben, alles lernen, was ein Branchenleader an Wissen und Erfahrung zu vermitteln hat, und dann für den nächsten Karriereschritt in ein anderes Unternehmen wechseln – das ist völlig normal. „Mit meinen sieben Dienstjahren war ich schon ein Dinosaurier.“
Mit dem Kinderwunsch kam der Bruch. „Ich hätte mir Kinder in meiner damaligen Position nicht vorstellen können. Wie hätte das ausgesehen, um 17 Uhr zur Kita zu gehen, während mein Team noch zwei, drei Stunden weiterarbeitet?“ Eine klassische Zwickmühle. Also kam der Entschluss: Raus aus dem Konzern!
Aus der Zwickmühle führte Nina Eich der Weg quasi direkt in die Zwicky-Mühle: Die ausgeschriebene Stelle in Teilzeit erwies sich als wahrer Glücksfall. Vom kleinen Fisch im grossen Teich zum grossen Fisch im kleinen Aquarium. Bei Zwicky kann Nina Eich ihre reiche Erfahrung aus der grossen Welt des Food-Marketings einbringen – wenn auch budgetmässig auf einem ganz anderen Niveau. Die Wege sind direkter und Entscheidungen werden schneller gefällt. „Ich habe hier in einem Jahr mehr Produkte gelauncht als in sieben Jahren beim
Multi“, erzählt die 36-Jährige. Dafür realisiert sie nun eine Kampagne in einem, vielleicht zwei Kanälen, statt wie früher auf der ganzen Klaviatur der Kommunikation. Und es funktioniert trotzdem.
„Die Herausforderung liegt darin, den Konsumenten unsere wirklich einzigartige Qualität näherzubringen. Wer bei Zwicky aufs Dach steigt, kann selbst sehen, wo die meisten Grundprodukte herkommen. In der Erntezeit fahren Traktorkolonnen aus der Region auf den Hof und bringen die frische Ernte zur Verarbeitung. Oft sogar biozertifiziert. Und genau dieses „Echte“ und „Nahe“ schätzt der Konsument immer mehr.
Doch nicht nur die eigentliche Arbeit ist an den Ufern der Thur reicher an Nuancen. Auch die Menschen ticken ein wenig anders als im Grosskonzern. Normalerweise ein Super-GAU für eine berufstätige Mutter: Anruf der Kita kurz vor einer Kundenpräsentation: Die Tochter hat Fieber und muss sofort abgeholt werden. Was anderswo die argwöhnischen Blicke der Mitarbeitenden und den Missmut des Chefs auslöst, wurde hier anders behandelt. Die Besorgnis des CEO betraf vor allem die Gesundheit des Kindes: „Schau, dass sie wieder gesund wird, ich kümmere mich um den Kunden.“
Nina Eichs Beispiel zeigt, dass die Karriere nicht alles ist im Leben und dass man mutig genug sein sollte, sie an die privaten Ziele anzupassen.