Was machen kreative Köpfe, wenn sie nicht am Büroschreibtisch Logos oder Werbekampagnen ausbrüten? Im Fall von Grafik-Designerin Aki Ellenberger hält die Freizeit etwas ganz anderes bereit, das dennoch viel mit Ästhetik zu tun hat. Ein Ausflug in die Welt des Dressursports.
Sueño lässt sich nicht überreden. Das ist auch nicht nötig, denn der Wallach ist von sich aus hochmotiviert und lernbegierig. Viermal pro Woche trainiert Aki Ellenberger mit ihm. Wenn sie sich dem Stall nähert, wird sie von Sueño schon mit einem Klopfen gegen die Tür begrüsst. Denn er weiss: Jetzt gibt es Leckerli, freundliche Worte, eine Pflegeeinheit und viel Bewegung. Das ausgiebige Begrüssungsritual ist wichtig für die Beziehung von Reiterin und Pferd. Seit fast drei Jahren kennen sich die beiden, vor zwei Jahren begannen sie, gemeinsam Turniere zu bestreiten. Gemeinsam? In der Tat. «Auf den Verlauf eines Turniers hat Sueño Einfluss, habe ich Einfluss und schliesslich entscheidet das Zusammenspiel von uns beiden», erklärt Aki. Und natürlich hat jeder mal einen schlechten Tag, auch ein Pferd.
Lektionen mit viel Gefühl
Beim Dressurreiten geht es darum, mit gezielten gymnastischen Übungen Kraft, Beweglichkeit und Balance des Pferdes zu verbessern sowie seine natürlichen Veranlagungen zu verfeinern, um so überhaupt erst die Grundlage jeder reiterlichen Betätigung zu schaffen. Die Krönung des Dressurreitens ist die Hohe Schule, in welcher an Wettkämpfen Lektionen des höchsten Schwierigkeitsgrades präsentiert werden. Diese Lektionen sind mitunter sehr komplizierte Bewegungsabläufe in den Grundgangarten Schritt, Trab und Galopp in einer vorgegebenen Reihenfolge.
Wie versteht Sueño, was er wann machen muss? Aki gibt dem Wallach mit den Innenseiten der Unterschenkel und mit Bewegungen aus dem Rücken unauffällige Signale, die er in die richtigen Schrittfolgen umwandelt. «Unendlich wichtig sind dabei Ruhe, klare Kommunikation und Gefühl für das Pferd», verrät Aki, die in ihrer Kindheit mit dem Reiten angefangen hat, um Rückenprobleme und ihre Ängstlichkeit in den Griff zu bekommen.
Liebevolles Schlitzohr
Aki findet mit Sueño Ruhe und Ausgleich: «Die Verbundenheit und Harmonie zwischen Pferd und Reiter macht diese Sportart so schön und intensiv.» Ohne Respekt und Gespür für das Tier könne man in dieser Disziplin nicht erfolgreich sein, denn: «Sueño hat seinen eigenen Kopf.» Aber richtig verärgert hat er Aki noch nie. Für sie ist der Wallach ein liebevolles Schlitzohr, das gerne für sie den Clown spielt: «Einmal ist er mir auf die Strasse entkommen. Er ist aber nicht davongaloppiert, sondern langsam im Schritt vor mir hergelaufen. Er hat sich ständig nach mir umgedreht. Als ich ihn fast erreicht hatte, legte er wieder an Tempo zu. So ging das eine Weile, bis er das Interesse an dem Spiel verlor und ich ihn einholen konnte.» Dank solcher Neckereien und der intensiven Zusammenarbeit hat sich eine grosse Nähe zwischen den beiden aufgebaut. Wenn Aki das Reiten ausfallen lassen muss, vermisst sie Sueño und hat sogar ein schlechtes Gewissen. Oft wird sie ihn gewiss nicht im Stich lassen, denn sie möchte weitere Prüfungen bestreiten und neben den Pflichtprogrammen gerne auch einmal eine Kür mit eigener Musikwahl reiten.
Noch nie hat Aki den Gedanken gehegt, mit dem Reitsport aufzuhören. Bei dem Thema leuchten ihre Augen: «Ich hoffe, mit Sueño alt zu werden. Wenn er gesund bleibt, können wir noch 14 Jahre zusammen ausreiten.» Ihre Familie wird gewiss nichts dagegen einzuwenden haben. Ihr Mann Marc bringt aus eigener Sporterfahrung reichlich Verständnis mit und für ihre Söhne Lucien und Joel gehört Sueño gar schon zur Familie.