In Form unserer Haare lastet eine grosse Erwartungshaltung auf unseren Schultern. Indem wir den Haaren einen Teil unserer Identität zusprechen, werden sie zu einem Spiegel unseres Wesens und unserer momentanen Verfassung. Haben wir einen „bad hair day“, ist nichts mehr zu retten. Haare schlecht – alles schlecht. Dann fühlen wir uns einfach nicht wohl in unserer Haut. Dieses Gefühl wird uns auch medial gerne vorgegaukelt. Schönes, kräftiges Haar verspricht Gesundheit, Leistungsfähigkeit, Vitalität, Sex Appeal und Leichtigkeit. Wie soll man das bitte glaubhaft suggerieren, wenn das dafür notwendige Anschauungsmittel ein Totalausfall ist?
Angesichts der weitreichenden Bedeutung, die wir unserem Haarkleid beimessen, verwundert es nicht, dass Männer und Frauen keine Mühen scheuen und viel Zeit und Geld investieren, damit da oben alles beim Rechten ist. Bei Männern ist die Glatze zwar ein gewohntes und akzeptiertes Bild, trotzdem wehren sich viele Betroffene vehement dagegen und Einzelne nehmen sogar eine Transplantation in Kauf. Der schleichende Prozess des Haarausfalls ist schmerzlich, weil er die eigene Vergänglichkeit vor Augen führt. Für Frauen ist ein plötzlicher Haarverlust gar ein Super-GAU, der das seelische Wohlbefinden aus den Angeln heben kann. In dieser scheinbar hoffnungslosen Lage greift man und frau im Zweifel auf die Hilfe von Profis zurück. Sara und Ralph Anderegg und ihr Team von der Rolph postiches AG in Wallisellen sind erfahrene Experten, wenn es darum geht, das natürliche Aussehen auch in Ausnahmesituationen beizubehalten.
Sara und Ralph Anderegg, warum floriert ein Unternehmen, das professionell Zweithaar herstellt?
Sara: Unsere Kunden kommen meistens in einer schwierigen Situation zu uns. Sie sind verunsichert und möchten ihre Haare, die Ausdruck ihrer Persönlichkeit und Identität sind, nicht verlieren. Haare sind bei weitem nicht nur Schmuck, sie werden wie ein Körperteil wahrgenommen. Unser Team geht auf jede Kundin und jeden Kunden individuell ein und schaut erstmal ganz genau hin. Je besser das Zweithaar gemacht ist, je weniger man den Unterschied sieht, desto professioneller ist das Ergebnis.
Ralph: Professionell heisst für uns, dass jede Mèche an der richtigen Stelle eingearbeitet wird, der Haaransatz genau ausgemessen wird und das Zweithaar perfekt sitzt. So gewinnen unsere Klientinnen und Klienten ihre Sicherheit und ihr Wohlbefinden zurück. Diese akribische Arbeitsweise hat uns still und leise zum Marktführer in der Schweiz gemacht. Denn Zweithaarspezialisten arbeiten diskret und unauffällig. In unserem Metier sieht man nur die schlechte Arbeit, gute Arbeit fällt leider – oder gottseidank? – nicht auf.
Wie wichtig sind euch eure eigenen Haare?
Ralph: Vorneweg: Haare sind ein guter Schutz gegen Kälte, Hitze und UV-Strahlung. Im Sommer halten sie die Sonne ab und im Winter wärmen sie. Allein deswegen möchte ich sie nicht verlieren. Darüber hinaus möchte ich mir keine Glatze rasieren lassen, weil ich keinen schönen Hinterkopf habe. Ich bin schon froh, dass ich meine Haare habe.
Sara: Mir sind meine Haare nicht so wichtig. Ich könnte mich davon lösen, nur das Nachwachsen würde mich nerven. Aber wenn man schon Haare hat, sollte man sich auch darum bemühen, dass sie gepflegt aussehen. In dieser Frage sind wir wohl ein untypisches Paar, denn normalerweise ist es so, dass Frauen mehr an ihren Haaren hängen.
Mit welchen Problemen kommen Klienten zu euch? Woher rühren sie?
Ralph: Die meisten unserer Klienten sind Frauen mit krankheits- beziehungsweise therapiebedingtem Haarausfall. Bei den Männern ist es schon lange salonfähig, keine Haare zu haben. Trotzdem haben wir männliche Klienten mit erblich bedingtem Haarausfall. Auch Menschen mit Alopecia areata, einer entzündlichen Haarausfallerkrankung, die kreisrunde kahle Stellen hinterlässt, nehmen gerne unsere Hilfe in Anspruch. Ein kleiner Teil unserer Klientinnen will einfach eine Perücke oder ein Haarteil, weil man damit immer perfekt frisiert ist. Es handelt sich dabei um ältere Damen, deren Haare hormonell bedingt sehr dünn geworden sind.
Was geht in den Klientinnen und Klienten vor, wenn sie Haarersatz brauchen?
Sara: Sie befinden sich in einer Ausnahmesituation und es sind immer viele Emotionen mit im Spiel. Viele unserer Klientinnen müssen sich mit einer Krankheit abfinden und dann kommt noch Haarausfall dazu. Was mich extrem erstaunt: Für manche Frauen ist es schlimmer, dass ihre Haare weg sind, als dass man ihre Brust abgenommen hat. Das liegt vielleicht daran, dass man sich mit einem kahlen Kopf sehr schutzlos fühlt, als liege ein Stück weit auch die Seele frei.
Ralph: Auch Scham spielt fast immer eine Rolle. So sollen zum Beispiel die Nachbarn nicht mitbekommen, was los ist. Manche Kundinnen können gar nicht sprechen, weil sie sofort in Tränen ausbrechen. Andere wiederum verlassen unser Geschäft glücklich und erleichtert, weil die Haarersatzmöglichkeiten ihre Vorstellungen weit übertreffen.
Was sind die häufigsten Wünsche Ihrer Klientinnen und Klienten?
Ralph: Sie wünschen sich eine Kopie – oder anders gesagt – eine möglichst naturgetreue Nachbildung ihrer gewohnten Frisur. Die Perücke soll vom Umfeld nicht als Perücke wahrgenommen werden. Sie möchten einfach sie selbst bleiben.
Sara: Wir besuchen unsere Kundinnen auch im Spital. Manchmal muss es dann sehr schnell gehen, dass das Zweithaar zur Verfügung gestellt wird. In der Hoffnung, vom Haarausfall während der Chemotherapie verschont zu werden, verdrängen manche Klientinnen die Realität und warten zu lange. Für uns ist die Herstellung von professionellem Zweithaar aber viel einfacher, wenn wir die Frauen mit ihrem Echthaar kennenlernen.
Welche Tricks gibt es, damit niemand den Unterschied merkt?
Ralph: Natürlich haben wir ein paar Tricks – aber eigentlich sind es keine Tricks, sondern fachliches Können. Bei unseren Produkten wird jedes einzelne Haar geknüpft, das braucht extrem viel Fingerspitzengefühl. Diesen Arbeitsschritt lassen wir in Asien verrichten. Wir verwenden Perücken mit feinen Filmansätzen und orientieren uns am natürlichen Haaransatz. Der Kopf und die Haarlängen unserer Kundinnen werden genauestens vermessen. Haarvolumen, Scheitel und Wirbel werden bei der Herstellung berücksichtigt. Die Haarfarbe ist niemals eintönig, sondern ergibt ein natürliches Farbenspiel. Das Resultat ist perfekt sitzendes Zweithaar, das als solches nicht erkennbar ist.
Sara, du hast deine Haare schon einmal komplett abrasiert. Warum?
Sara: Vor etwa zehn Jahren haben wir einen Prospekt gemacht. Wir wollten darin ein haarloses Model zeigen, haben aber niemanden gefunden, der sich die Haare abrasieren wollte. Da habe ich mich zur Verfügung gestellt und Ralph hat meine Haare abrasiert.
Ralph: Ich war total nervös.
Sara: Meinen Kopf als Glatze zu sehen und verschiedene Perücken anzuprobieren war eine interessante Erfahrung. Es hat sich toll angefühlt, den glatten Kopf zu berühren oder auch den Wind zu spüren. Aber ich habe auch gemerkt, wie wichtig Haare als Schutz für den Kopf sind. Und natürlich ist es gefühlsmässig ein Unterschied, ob man die Haare einfach einmal abrasiert oder ob man krank ist. Haarlos herumzulaufen fiel mir in der Stadt leichter, da sieht dich kaum jemand krumm an. Auf dem Land fällt man als Frau mit Glatze auf und es wird eher getuschelt.
Gibt es auch den Wunsch zum haarmässigen Neuanfang?
Ralph: Das kommt wirklich äusserst selten vor. Die meisten Menschen wollen während einer Krankheit keinen optischen Neuanfang wagen, sie wollen lieber dahin zurück, wie es davor war. Klientinnen schauen sich vielleicht mal eine andere Haarfarbe an, aber beim Anschauen bleibt es dann auch. Ganz wenige Frauen haben aus Freude an der Veränderung verschiedene Perücken zuhause.