Ob sich Uli Krebs gegen Ende des 15. Jahrhunderts Gedanken darüber gemacht hat, wie er seinen noch jungen Weinbaubetrieb an die nächste, zweite Generation weitergeben würde, ist nicht überliefert. Die erste urkundliche Erwähnung des Weingutes Krebs in Wingreis ob Twann am Bielersee datiert aber zweifelsfrei auf das Jahr 1484 – jenes Jahr, in dem Ulis Namensvetter Zwingli das Licht der Welt erblickte, und ganze acht Jahre bevor Kolumbus auf dem Weg nach Indien über Amerika stolperte. Doch die Geschichtsträchtigkeit von Ort und Familie lässt den Urururururururururururururur-Enkel Manuel Krebs kalt. Der heutige Patron von Krebs Weinbau in Twann ist ein bescheidener, pragmatischer Mann der Tat. Vor über zwanzig Jahren hat er den Betrieb von seinem Vater Otto Krebs übernommen und bewirtschaftet heute mit Ehefrau Silvia und Sohn Andreas 4,8 Hektar
Rebfläche.
Was kennzeichnet den letzten Generationenwechsel des Traditionsbetriebes Krebs?
Manuel Krebs: Mein Vater war der letzte in unserer Familie, der nicht hauptberuflich Weinbauer war. Früher hatte die Familie noch Kühe und Schweine, er selbst war Eisenbahner und engagierter Politiker. Es war nicht gerade einfach, ihn zur Betriebsübergabe zu überreden. Mein Bruder und ich arbeiteten im Weinberg und im Keller, er kümmerte sich um die Buchhaltung und den Verkauf. 1989 stand dann sein Präsidialjahr im Grossen Rat des Kantons Bern an. Das war die Gelegenheit für uns, Druck auf ihn auszuüben und ihn «schon» mit 60 Jahren zur Übergabe zu bewegen. (lacht)
Ging das reibungslos vor sich?
Manuel Krebs: Aber ganz sicher nicht! Sonst hätte es ja keinen Druck gebraucht. «Frächi Cheibe» nannte er uns. Er wollte eigentlich unbedingt bis 65 weitermachen. Wäre die grosse politische Ehre mit der dazugehörenden Arbeitsbelastung nicht gekommen, hätte er das sicher auch durchgezogen. Aber mein Bruder und ich hatten längst unsere eigenen Visionen.
In welcher Hinsicht gingen die Meinungen zwischen den Generationen auseinander?
Manuel Krebs: Wir Jungen hatten ganz andere, modernere Ideen als er hinsichtlich Anbaumethoden, Kellertechnik, Verarbeitung oder auch der Wahl der Flaschenform. Meine Frau Silvia und ich wollten einiges verändern. Wir sind zum Beispiel damals selbst nach Italien gefahren und haben mit unserem Kleintransporter die erste Entrappungsmaschine geholt.
Manuel Krebs lächelt bei der Erinnerung an diese Zeit, während sein Sohn Andreas dem Gespräch aufmerksam zuhört. Er hat nach seiner Ausbildung zum Weintechnologen Praktika bei Schweizer und internationalen Spitzenwinzern absolviert und ist heute mit dreissig Jahren voll im elterlichen Betrieb eingespannt.
Gibt es Parallelen zwischen 1989 und heute? Führen Sie mit Ihrem Sohn ähnliche Diskussionen?
Manuel Krebs: Eigentlich nicht gross. Klar gibt es unterschiedliche Ansichten, aber das ist kaum der Rede wert.
Andreas Krebs: So unbedeutend ist das nicht! Es sind genau dieselben Diskussionen wie damals. Zum Beispiel im Rebberg: Ich wollte unbedingt Sauvignon Blanc anbauen. Im Keller: Die ersten Barriques musste ich noch von meinem eigenen Geld kaufen. Die neue Homepage ist auch nicht deine Idee gewesen.
Manuel Krebs: Wenn es nach mir gehen würde, bräuchten wir kein Internet. Ich schaue ja auch nie ins Internet.
Silvia Krebs: Und ich bin zwischen den beiden im Sandwich. Es ist ein Prozess, der schon länger dauert. Andreas bringt von seinen Reisen und Ausbildungen Ideen mit, die für uns neu und fremd sind. Aber wir lernen auch viel dazu. Wir degustieren interessante Weine aus der ganzen Welt, lernen, uns mit den Besten zu messen. Und das gibt uns auch Selbstvertrauen. Wir hätten uns vor ein paar Jahren nie träumen lassen, dass ein Wein von uns einmal dreissig Franken Wert sein würde.
Die neue Generation von Krebs-Weinen ist tatsächlich eine kleine Revolution im Betrieb. Die Trauben aus den besten Parzellen und den ältesten Reben werden separat gelesen, aufwändig in Barriques vinifiziert und in kleinen Mengen abgefüllt. Die Degustation des Pinot Noirs «Alte Reben», Jahrgang 2009, zeigt die Richtung an, in die Andreas Krebs gehen will: Das Beste geben und eine eigene Identität leben. Mit Erfolg: In Blindverkostungen liegt sein erster Jahrgang immer bei den besten der Schweiz und hält mit europäischen Pinots der berühmten Anbaugebiete locker mit.
Andreas Krebs: Ich bin absolut überzeugt, dass unsere Zukunft in Weinen der obersten Qualität liegt. Wir müssen nicht gefällige Weissweine für zwölf Franken produzieren. Das sollen andere tun. Der Schweizer Konsument will anspruchsvolle Weine und ist auch bereit, zwanzig bis dreissig Franken dafür zu bezahlen.
Manuel Krebs: Wir haben ja 1994 dasselbe gemacht. Mein «Bärner Wy» war auch eine Selektion besserer Partien, seine Etikette war neu und der Preis war höher als bei unseren anderen Weinen.
Auf die Frage, wie es weitergehe im Hause Krebs, folgt keine konkrete Antwort. Die Geschichte wiederholt sich anscheinend. Vater Manuel geht zurück in den Keller, Sohn Andreas empfängt zwei bekannte Weinjournalisten zur Degustation und Mutter Silvia serviert den Interviewern den Kaffee. «Das chunt de scho so wies muess», weiss sie. Und es läuft auch nicht schlecht, wie alle beim Abschied noch einmal betonen. Die eine Generation bewahrt, die nächste kämpft um Einfluss, und der Betrieb wächst weiter. Und das sei ja auch bei anderen so, den Malern, Schreinern, Sanitärinstallateuren und anderen Familienunternehmen. Sogar der alte Schweri habe es nach über fünfzig Jahren schliesslich noch geschafft, sein Denner-Imperium zu übergeben. Allerdings: Falls Manuel Krebs nicht noch eine überraschende Blitzkarriere in der Politik macht, wird es wohl noch ein paar Jährchen weitergären, bis Andreas das Ruder ganz übernehmen kann.