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Dann gute Nacht?

«Bico-flex: Für ä tüüfä gsundä Schlaaf!» war in den 70er Jahren der Schweizer Werbekult schlechthin. Und wie gut schläft es sich heute bei Bico?

Man stelle sich vor: Eine der Schweizer Marken mit dem höchsten Bekanntheitsgrad wird 150 Jahre alt und kaum jemand weiss davon. Dabei ist es nicht so, dass die Bico AG in Schänis nichts gemacht hätte. Ein rauschender Event der Extraklasse im KKL Luzern mit über hundert geladenen Gästen von Partnerfirmen, aus Handel, Politik und Wirtschaft läutete das Jubiläumsjahr ein. Auf der Website findet sich der Link zur Jubiläumsedition einer der beliebtesten Matratzenserien und am Firmensitz in Schänis fand ein Tag der offenen Tür statt. Und doch geht es bei Bico im Jubiläumsjahr nach aussen hin marketingmässig scheinbar eher ruhig zu.

Meilensteine

In den 70er Jahren prägte Bico dank des legendären Werbespots mit den beiden Zwillingen das Werbeverständnis und -gedächtnis einer ganzen Generation. «Für ä tüüfä gsundä Schlaaf» wurde zum geflügelten Wort, und als die Werbung zum letzten Mal ausgestrahlt wurde, war dies der Tagesschau des Schweizer Fernsehens sogar einen redaktionellen Beitrag wert. Wie lebt es sich mit dieser Geschichte? Und welche Strategie wählt das Marketing der Bico AG heute?

Push versus Pull

Thomas Berchtold lässt beim Fotoshooting in der Ausstellung seines Kunden Schubiger Möbel in Dübendorf keinen Zweifel daran aufkommen, dass er seine Produkte und die ganze Bettenbranche liebt. Die Beziehung des langjährigen Bico-Marketing- und Verkaufsleiters zu den anwesenden Wohnberatern ist professionell und dennoch persönlich. Man kennt sich, hat eine gemeinsame Vergangenheit und noch viel zusammen vor. Berchtold führt durch die Ausstellung, zeigt seine Produkte und Neuheiten, seine Begeisterung wirkt ansteckend: «Es ist toll, für eine Marke zu arbeiten, die nicht nur einen so hohen Bekanntheitsgrad hat, sondern der auch die absolute Mehrheit der Schweizer grosse Sympathie entgegenbringt», sagt der 48-Jährige.

1861 zur Herstellung von Polsterwatte gegründet, wuchs der Produktionsradius des Familienbetriebs stetig. In den 1970er Jahren bauten die Gebrüder Birchler in Schänis eine grosse und moderne Fabrikationsanlage, die für das expandierende Unternehmen ein neues Zeitalter einläutete. Man stand nun vor der Herausforderung, die neuen Kapazitäten auch auszulasten. Fernsehwerbung schien das adäquate Mittel zu sein. Mit zwei Laienschauspielern, den mittlerweile berühmten Müller-Zwillingen Martin und Bruno, wurden die ersten Spots gedreht, die über 18 Jahre lang, bis 1991, erfolgreich fortgeführt wurden. Eine klassische Pull-Strategie also, mit der ein Nachfragesog auf den Handel generiert wurde?

Thomas Berchtold widerspricht. Das Unternehmen war von Anfang an auf Push-Marketing aus­gerichtet, auch wenn das in der damaligen Zeit noch niemand so nannte. Die Unternehmensleitung stand stets in engem Kontakt zum Handel – sei es für die Einführung neuer Produkte, die Lösung von Problemen oder auch zur persönlichen Übergabe einer Flasche Kirsch an Weihnachten. Die Fernsehwerbung als Pull-Massnahme ergänzte die Push-Strategie. Das war das Erfolgsrezept, das zur Marktführerschaft führte.

Andere Zeiten, andere Massnahmen

Der Übergang vom Familienunternehmen zum Holdingmitglied im Jahr 1988 markiert – wie bei vielen anderen mittelständischen Firmen – den Beginn entscheidender Veränderungen. Die damaligen Firmeninhaber verkauften die Bico AG an die Merkur-Gruppe; heute ist sie nach einigen Zwischenstationen im Schwedischen Bettenkonzern Hilding Anders angekommen. «Im Konzern sind wir ein Unternehmen unter vielen, und die Strategie ist im Moment auf Profit Protection ausgerichtet. Wir arbeiten im Verkauf und Marketing mit Hochdruck an der exzellenten Beziehung zum Handel und investieren dort in unsere Stärken», erzählt Thomas Berchtold.

Dennoch gibt es heute einen Knick im Bekanntheitsgrad der Marke bei den ungefähr 30-Jährigen. «Die Leute darüber kennen unsere Produkte, bei ihnen geniessen wir eine grosse Präferenz vor anderen Herstellern. Auch die Wohnberater im Fachhandel wurden zum Grossteil noch mit den Bico-Spots zur besten Sendezeit sozialisiert. Die jüngere Generation kennt uns hingegen kaum noch aus direkten Aktivitäten. Hier sind wir darauf angewiesen, dass die Marke quasi von der Mutter an die Tochter weitergegeben wird.»

Doch wieso setzt Bico die erfolgreiche Werbung nicht einfach fort? Dazu Berchtold: «Um heute eine ähnliche Medienleistung aufzubauen wie damals, müssten wir zwischen fünf und zehn Millionen Franken jährlich investieren. Das können und wollen wir uns nicht leisten.» Tatsächlich hat sich die Medien- und Werbelandschaft seit den 70er Jahren dramatisch verändert. Bico war ein Pionier, wagte die Investition in die Fernsehwerbung, baute damit einen grossen Brand auf und lebt heute noch sehr gut davon. Mittlerweile ist der Kommunikationsdruck in den klassischen Medien so hoch, dass sich ein mittelständisches Unternehmen kaum mehr einen so dominanten Share of Voice kaufen kann. Das alles stimmt die Verantwortlichen jedoch nicht pessimistisch.

«Erfinder waren wir nie. Wir haben weder das Bett noch die Matratze oder den Lattenrost erfunden. Unsere Stärke war es immer, Trends aufzunehmen und erfolgreich zu vermarkten. Im Moment sehen wir beispielsweise ein wachsendes Interesse an Box-Spring-Betten. Wir werden sicher auch in Zukunft der Partner für den Bettenhandel sein, der das ganze Paket an Produkten, Dienstleistungen, Schulung und Unterstützung anbieten wird, um erfolgreich im Markt zu sein. Und da wird selbstverständlich auch klassische Werbung dazugehören. Allerdings nur komplementär.» Zusätzlich verstärkt sich Bico gerade durch den Ausbau des Markting-Teams und plant «spannende Projekte» im Bereich der neuen Medien.

Und so schläft er vorerst weiter, der Bico Werbekult. Allerdings nicht nur «tüüf», sondern auch sehr «gsund».