Dompteur oder Diplomat?

Ein Immobilienbewirtschafter fungiert als Mittler zwischen Mietern, Eigentümern und Handwerkern. Dass es dabei nie langweilig wird, weiss Claudia Strässle. Sie leitet ihr eigenes Immobilienunternehmen und unterrichtet an der Akademie St.Gallen. Wir sprechen mit ihr über Social Media, Wasserschäden und darüber, was Quereinsteiger wissen sollten.

Frau Strässle, Sie sind Inhaberin eines eigenen Immobilienunternehmens und unterrichten künftige Immobilienfachmänner und -frauen an der Akademie St. Gallen. Wie bekommen Sie beide Aufgaben unter einen Hut?
Es ist ein Jonglieren, das schon. Aber das Dozieren macht mir einfach Spass. Deshalb finde ich immer einen Weg und schaufle mir Zeit frei. Ausserdem unterrichte ich ja nicht jede Woche. Es ist also durchaus machbar.

Was gefällt Ihnen am Unterrichten?
Bevor ich ins Immobiliengeschäft meiner Eltern eingestiegen bin, war ich lange als Schulleiterin tätig. Ich mag diese Welt und manchmal vermisse ich richtig das Lachen der Kinder. Ich finde den Kontakt mit Menschen spannend, lerne gerne neue Leute kennen und tausche mich mit ihnen über Fachspezifisches aus.

Welches Fach unterrichten Sie genau?
Zum einen unterrichte ich Personalführung für Immobilienbewirtschafter. Zum anderen gebe ich Einsteigern – vor allem Quereinsteigern – einen Einblick in die Tätigkeiten eines Immobilienbewirtschafters. Dieser Kurs ist für viele der Start zum Immobiliensachbearbeiter. Ziel ist es, dass sich die angehenden Studierenden bei der Wahl ihrer Ausbildung ein realistisches Bild über die Tätigkeit in der Praxis machen können.

Wie viele entscheiden sich nach Ihrem Kurs für die Ausbildung?
Ich würde sagen: etwa drei Viertel. Der Rest konnte zumindest für sich privat etwas mitnehmen. Das ist auch mein Ziel. Schliesslich sind die Studierenden fast alle selbst Mieter oder auch Handwerker. Manche sind gar schon selbst Eigentümer.

Was lernt man in Ihrem Kurs?
Im Einstiegskurs geht es um Themen wie Wohnungsabnahme, Kriterien für Mieter, Schäden und Rechtliches. Beim Fachausweis Immobilienbewirtschaftung lernen die Studierenden Mitarbeitende und Teams zu führen.

Was müssen angehende Immobilienfachleute neben einer fundierten Ausbildung mitbringen? Oder anders gefragt: Worauf achten Sie als Unternehmerin, wenn Sie neue Mitarbeitende einstellen?
Sie müssen offen sein, ein Gespür für Menschen und nicht zuletzt ein dickes Fell haben. Denn in unserer Branche ist nicht immer alles nur angenehm. Es gibt viele Spannungsfelder. Was auch verständlich ist, da wir als Mittler zwischen unterschiedlichen Interessensgruppen wie Mietern, Eigentümern und Handwerker stehen.  Manchmal vergleiche ich meinen Beruf mit dem eines Dompteurs. (lacht)

Oder mit dem eines Diplomaten?
Ja, diplomatisch müssen wir sein. Aber auch klar in unseren Aussagen.

Wie hat sich das Immobiliengeschäft in den letzten Jahren verändert?
Der Beruf des Bewirtschafters ist definitiv härter geworden und der Umgangston rauer. Letzteres hat auch viel mit der schnellen Kommunikation per Mail zu tun. Ausserdem sind Wohnungen und Gewerbeliegenschaften nicht mehr so leicht zu vermieten, da der Markt sehr viel bietet. Hinzu kommt, dass man Interessenten wirklich auf Herz und Nieren prüfen muss. Das war früher noch nicht so ausgeprägt.

Geht der Unterricht auf diese veränderten Umstände ein?
Ja. Es gibt Leute, die haben schon gefestigte Positionen in anderen Berufen. Mir ist es daher ein grosses Anliegen, Quereinsteiger auf die neuen Herausforderungen vorzubereiten.

Wie wichtig ist Ihnen ein praxisbezogener Unterricht?
Sehr. Alles andere ist nur Auswendiglernen. Ausserdem kann man sich die Dinge durch anschauliche Beispiele und Geschichten viel besser merken.

Welche Anekdoten bringen Sie aus Ihrem Alltag in den Unterricht ein?
Ich bringe gern das Beispiel eines Wasserschadens in einer Tiefgarage. Nach einigem Suchen hat sich herausgestellt: die Ursache war eine Waschmaschine aus der Nachbarliegenschaft. Das heisst: der Ursprung eines Problems kann auch einmal ganz woanders liegen als vermutet.

Wie frei sind Sie in der Gestaltung Ihres Unterrichts?
Beim Einsteigerkurs muss ich mich an grobe Vorgabe halten. Das heisst, mein Unterricht muss die Themen von der Kündigung einer Wohnung bis zur Wiedervermietung abdecken und sollte einen Einblick in den Berufsalltag geben. Beim Unterricht für den Fachausweis muss ich mich an die Lernziele halten, bin aber auch da sehr frei in der Gestaltung.

Wie empfinden Sie die Arbeit bei der Akademie St.Gallen?
Ich habe meine Ausbildung selbst an der Akademie absolviert und nur positive Erfahrungen gemacht. Und das ist bis heute so geblieben. Vor allem den praxisorientierten Ansatz schätze ich sehr.

Warum haben Sie sich dafür entschieden, neben der Berufstätigkeit noch zu unterrichten? Was gefällt Ihnen daran?
Ich mag das Lehrersein und den Austausch mit verschiedenen Menschen. Neben meiner Dozententätigkeit bin ich beim SVIT Ostschweiz im Vorstand zuständig für Erwachsenenbildung und Social Media.

Welche Rolle spielt Social Media im Immobiliengeschäft?
Als Unternehmerin nutze ich Social Media eher als Werbeplattform und nicht so sehr als Kommunikationsmittel mit den Mietern. Denn durch diese kurze und informelle Art entstehen viel eher Missverständnisse.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?
Ich bin 20 nach 6 im Büro und beantworte meine Mails. Das ist Routine, alles andere ergibt sich und ist von Tag zu Tag verschieden. Mal beschäftige ich mich mit Mieterproblemen, mal mit Handwerkerofferten. Dann fahre ich zu Besichtigungen oder begutachte Liegenschaften. Mein Beruf ist sehr vielseitig und genau das gefällt mir an ihm.

Was tun Sie, wenn Sie nicht gerade arbeiten und unterrichten?
Füsse hochlegen oder rausgehen und Leute treffen. Am liebsten bei einem guten Essen.  

Das tönt gut. Vielen Dank für das Gespräch, Frau Strässle!