Wenn zufriedene Kunden und persönlicher Service die zentralen Werte eines Unternehmens sind, ist im Zweifelsfall die Qualität der Sprache genauso wichtig wie die von Serverparks und Glasfasern. So jedenfalls sieht es der Zürcher Internetanbieter iWay und machte sich ans Thema Corporate Language. Ganz der Firmenphilosophie folgend, nicht als Papiertiger, sondern als konkretes und pragmatisches Projekt. Die Content Marketing Managerin Jessica Lucio leitete das Projekt. Im Interview erzählt sie von kleinen Schritten, feinen Unterschieden und wieso Nutzen das beste Argument für Change ist.
Jessica, die Sprache eines Unternehmens sollte authentisch sein, also seinen Charakter widerspiegeln. Wie ist iWay denn so, charakterlich?
Ich habe iWay erst als langjährige Kundin kennengelernt und schon damals war mir aufgefallen, wie sympathisch und nahbar ich das Unternehmen erlebte, wenn ich im direkten Kontakt war. Im Austausch mit Support oder Kundendienst hatte ich immer den Eindruck, mit Menschen zu sprechen, nicht mit x-beliebigen Call Center Agents. Dieser Eindruck hat sich nochmals bestätigt, seit ich hier arbeite. iWay würde ich als etwas nerdig, sympathisch, sehr hilfsbereit und menschlich beschreiben.
Das Gegenteil des Klischees eines Techkonzerns also.
Kann man so sagen, ja. Umso mehr war ich erstaunt, als ich mich neben der Kreation neuer Inhalte auch mit den bestehenden Texten auseinandersetzte. Die schriftliche Kommunikation in E-Mails, Briefen, Webtexten oder Supportdialogen entsprach so gar nicht dem eben gezeichneten, positiven Bild.
Wieso nicht?
Seit 27 Jahren wuchs iWay von einer kleinen Idee zweier Gründer zu einem der führenden Internetanbieter der Schweiz. In diesem Vierteljahrhundert hat sich eine enorme Textmenge angehäuft. Und zwar ohne grosse Planung oder Struktur aus dem operativen Geschäft heraus und oft auch von Menschen, die eher technikaffin als sprachbegeistert waren. Über die Jahre entstand ein stilistischer Wildwuchs.
Das wolltest du ändern und hast die Entwicklung einer Corporate Language angeregt. Ein Projekt auf strategischer Ebene und das kurz nach deinem Beginn bei iWay.
Mir war klar, dass bei uns täglich, in jeder Minute, Unmengen von Texten entstehen. Dutzende Supportmitarbeitende schreiben mit unseren Kundinnen und Kunden hin und her. Die Administration verschickt laufend halbautomatisierte Texte, das Marketingteam produziert Content. Je früher wir eine gemeinsame Basis entwickeln, desto früher entsteht der neueste Content in besserer Form.
Und die bestehenden Texte?
Auch diese müssen wir Schritt für Schritt überarbeiten. Aber auch das geht natürlich nur auf der Basis eines Konzeptes.
Wie bist du vorgegangen?
Zuerst habe ich mit meinem direkten Vorgesetzten gesprochen, dem Leiter Marketing. Er war sofort davon überzeugt, dass wir ein Corporate-Language-Konzept brauchen. Aber eines, das kein Papiertiger ist, sondern eine hilfreiche Basis für unsere tägliche Arbeit. Uns war klar, dass wir externe Unterstützung brauchten und wir haben Therefore als begleitende Agentur dafür angefragt. Nach ersten Gesprächen zum Vorgehen konnten wir der Geschäftsleitung einen konkreten Vorschlag präsentieren und den Nutzen für alle Abteilungen aufzeigen.
Der Rückhalt in der Geschäftsleitung ist für solche Projekte zentral.
Allerdings. Und den hatten wir auch. In den initialen Workshops waren dann neben dem Geschäftsführer auch weitere Mitglieder der Geschäftsleitung und Vertreter der Abteilungen dabei. Das gab uns eine starke Basis.
Mit dem Konzept konnten wir der Geschäftsleitung den ganz konkreten Nutzen für alle Abteilungen aufzeigen.
Jessica Lucio
Content Marketing Managerin
iWay, Zürich
Wie hast du die Workshops zu Corporate Language erlebt?
Es war sehr spannend, wie viel implizites Wissen wir fassbar machen konnten. Wir haben eine aktuelle Version von Vision, Mission und Strategie formuliert, die wichtigsten Buyer-Personas modelliert, Use Cases diskutiert und Grundsätze zu unserer Identität niedergeschrieben.
Auf dieser Basis konntest du gemeinsam mit dem Agenturteam die Grundsätze der Corporate Language formulieren, Beispiele erarbeiten, ein Manual entwickeln.
Genau. Herausgekommen ist ein kurzes, leicht verständliches Manual, mit dem alle Mitarbeitenden in ihrem Arbeitsalltag arbeiten können, vom Sales bis zum Support. Darin haben wir die Grundsätze unserer Unternehmenssprache festgehalten, ohne uns in Details oder sprachlichen Spitzfindigkeiten zu verlieren. Wir haben uns bewusst gegen einen allesumfassenden Sprachleitfaden entschieden, da dieser sofort im Bürotisch verschwinden würde.
Wie ging es dann weiter?
Nach der Freigabe des Manuals ging es an den wichtigsten Teil, die Schulung der Mitarbeitenden. Wir haben die verschiedenen Abteilungen gebeten, konkrete Beispiele für Texte zu sammeln, mit denen sie nicht zufrieden sind oder die ihnen Probleme bereiten. Nach einer kurzen Einführung in die Sprachgrundsätze sind wir dann direkt in die Texte gegangen, haben sie gemeinsam umformuliert, diskutiert und bewertet.
Keine grossen Grundlagenschulungen?
Nein, bewusst nicht. Damit erreichen wir die Leute nicht, die täglich im operativen Geschäft tätig sind und unter Zeitdruck arbeiten. Die Schulung sollte so kurz und bündig ausfallen wie das Manual selbst. Daher lag der Fokus auf der Anwendung der wichtigsten Grundsätze. Denn wenn diese sitzen, gelingt auch die Umsetzung im Arbeitsalltag.
Welches sind die wichtigsten Grundsätze eurer Corporate Language?
Erstens: Aktive Formulierung. «Wir senden Ihnen», statt «Ihnen wird gesendet». «Wir erhöhen die Preise», statt «die Preise erhöhen sich». Zweitens: Einfache, kurze Sätze. Wir kommen direkt auf den Punkt, ohne grosse Einleitungen. Und drittens, wir schreiben für die Empfängerinnen und Empfänger, nicht für uns. Also in deren Sprache, aus deren Perspektive. Wir zeigen den Nutzen auf statt nur von der Leistung zu sprechen.
Wie sieht es mit anderen Stilelementen aus?
Auch hier gilt, so einfach wie möglich. Keine Fremdwörter und Fachbegriffe, so lange sie nicht notwendig sind oder mehr aussagen, als einfache Sprache.
Und das Reizthema Nummer Eins, wenn es um Corporate Language geht?
Das Gendern. Daher haben wir uns in einem ersten Schritt für eine pragmatische Lösung entschieden. Wir vermeiden geschlechterspezifische Begriffe wo sinnvoll und dem Lesefluss nicht abträglich und nennen sonst die beiden binären Geschlechter. Also «Mitarbeitende» und «Kundinnen und Kunden».
Wie wurden die Schulungen aufgenommen? Als Pflichtübung?
Zu meiner grossen Freude sehr positiv. Wir haben die Schulungen kurz und sehr nahe an der Praxis gehalten. So hatten sie für die Teilnehmenden einen direkt spürbaren Nutzen. Und was nützlich ist, wird genutzt. Hilfreich war auch, dass die Schulungsleiterin von Therefore bereits am strategischen Projekt massgeblich beteiligt, und so sehr nah am Thema war.
Die erste Welle der Umsetzung der Corporate Language ist abgeschlossen. Wie geht es weiter?
Diesen Monat mit einer zweiten Schulungswelle. Wir haben laufend neue Mitarbeitende und auch von den ersten Teilnehmenden gab es schon Nachfragen für eine Intensivierung. Die grösste Herausforderung ist sicher die Aufarbeitung der Texte aus dem historischen Bestand. Sobald wir da weiter sind, können wir dann das nächste strategische Projekt in Angriff nehmen.
Was könnte das sein?
Corporate Storytelling! Hinter iWay verstecken sich zahlreiche gute Storys. Wie wir diese Geschichte spannend erzählen und weiterschreiben, ist der nächste Schritt, den ich gehen will.
Merci für das Gespräch!
iWay
Von zwei Digitalenthusiasten im Jahr 1995 aus einer Bieridee heraus geboren gehört die iWay AG heute zu den führenden Internetanbietern der Schweiz. Dazu bietet sie Telefonie, Mobile, TV, Hosting, Cloud- und Datencenterlösungen an. Für die technische Verlässlichkeit und den hervorragenden Kundenservice wird das Unternehmen regelmässig ausgezeichnet.
Jessica Lucio
Die Winterthurerin hat mehr als nur ein Faible für Sprache. Nach einem Bachelor of Arts in mehrsprachiger Kommunikation an der ZHAW, dem Masterabschluss als Übersetzerin an der Universität Westminster arbeitete sie jahrelang selbständig als Texterin und Übersetzerin in London und Bogota. Nach ihrem CAS in Content Marketing übernahm sie im Frühling 2022 das Content Marketing von iWay.