Eigentlich ist die MediService AG in Zuchwil zuerst einmal eine ganz normale Apotheke. Aber eigentlich auch wieder nicht. Wieso das so ist, was die Internetgesellschaft aus der Gesundheitsbranche macht und warum sich schon sehr bald alles um die Patientin oder den Patienten drehen wird, erzählt René Marksitzer, MediService-Business-Unit-Leiter und Vertreter einer Branche in Erwartung von Revolutionen.
Herr Marksitzer, für was für eine Firma arbeiten Sie?
Rechtlich gesehen für eine ganz normale Apotheke. Wir haben einen Schalter, eine Kundentoilette, normale Öffnungszeiten und müssen uns an alle Vorschriften halten, wie die Dorfapotheke zwei Bushaltestellen weiter auch.
Eine ganz normale Apotheke ist MediService ja nicht. Wir stehen in einem mehrere Hundert Quadratmeter grossen Lager mit professioneller Technik und ausgebildeten Logistikern beim Rüsten von Bestellungen. MediService ist eine Apotheke in Solothurn mit einer Versandapotheken-Bewilligung.
Ja, das sind wir. Wir sind wie jede andere Apotheke auch. Auch wir haben eine Ladentheke für die Laufkundschaft. Bei uns ist die Ladentheke halt einfach etwas versteckt. (lacht) Nein, im Ernst: Wir haben einen Schalter für die Laufkundschaft, ein Lager und vor allem eine Versandabteilung. Diese macht halt einfach über 99 Prozent unseres Umsatzes aus.
Haben Sie sich darangemacht, den Apothekenmarkt umzukrempeln?
Nein, eigentlich im Gegenteil. Wir gehören zur Galenica Gruppe und damit historisch auch irgendwie den Schweizer Apothekern. Ein Grund, weshalb wir nicht aktiv dabei sind, den Markt umzukrempeln. Wir haben vielmehr versucht, das starke Bedürfnis nach dem sicheren Medikamentenkauf per Telefon, Post und Internet zu befriedigen, was klassischen Apotheken zunehmend schwerer fällt.
Dennoch gilt MediService als Pionier beim Versand von Medikamenten.
Wir sind – wie gesagt – eine Apotheke, beschäftigen 12 diplomierte Apotheker, 24 Pharmaassistentinnen und sehr viel Fachpersonal in Logistik, IT und Qualitätssicherung. Wir haben uns darauf spezialisiert, sowohl ganz einfache als auch höchst komplexe Medikamentenbestellungen zuverlässig zu erfassen und sicher per Post zu versenden. Das ist ein grosses Bedürfnis geworden und dieses versuchen wir so perfekt wie möglich zu befriedigen. Wir sind eher zurückhaltend, um nicht zu sagen passiv, wenn es um Neukundenwerbung geht.
Und Ihre heutige Rolle im Markt?
Einfach Apotheker, die Ihnen liefern, was Sie bestellen.
Auch wenn sich unser Gesprächspartner in Zurückhaltung übt, die Umwälzungen, die dem Gesundheitswesen bevorstehen, sind spektakulär. Die grosse *Philips Gesundheitsstudie proklamiert acht Thesen. Acht Thesen, von denen es scheint, als hätte die MediService AG sie bereits vor Jahrzehnten antizipiert. Da ist vom Patienten im Zentrum die Rede, von partnerschaftlicher Zusammenarbeit zwischen Arzt und Patient, von Zufriedenheit und Individualität. Alles Dinge, die im Rest der Gesellschaft seit Langem Standard sind. Das Gesundheitswesen als Branche von gestern?
Herr Marksitzer, was sagen Sie zu der These, dass sich das Gesundheitswesen an der Zufriedenheit der Patientinnen und Patienten messen wird und nicht an Krankheiten?
Das wird absolut so sein. Eigentlich ist es schon einige Zeit so, es wird uns jedoch nur langsam bewusst. Früher war Gesundheit Arbeitsfähigkeit oder Schmerzfreiheit. Heute gibt es Leute, die sich viermal im Jahr ein Blutbild gönnen und sich danach den Ferritinspiegel mit selbst gekauften Eisenpräparaten nachjustieren – ohne dass sie je Beschwerden hätten. Dann gibt es die Hypochonder, die Stoischen, die Alternativen, die TCM-Fans und diejenigen, die sich am Wochenende eine neue Krankheit suchen. Morbus Google oder so. Gesundheit und damit Krankheit sind ein Lifestyle geworden. Zum Schluss ist das Mass, mit dem Zufriedenheit gemessen wird, extrem individuell. Die früher verbreitete Haltung, dass man mit seiner Gesundheit zufrieden ist, wenn der Hausarzt meint, es sei alles gut, die gibt es kaum mehr. So ist es auch nur logisch, dass sich die Gesundheitsbranche daran orientiert, dass die Kundinnen und Kunden, also die Patienten, zufrieden sind.
Also erst wenn der Patient zufrieden ist, nicht wenn er gesund ist, ist der Job erledigt?
Oder umgekehrt, zum Beispiel in der Palliativmedizin. Ganz klar wird der Patient mehr und mehr der «Owner» seiner Gesundheit und auch der, der entscheiden will.
Krebspatientinnen und -patienten sind aber selten chronisch Kranke. Versorgen Sie auch diese Menschen?
Krebs ist nur ein Beispiel. Wir stellen einen Trend zu immer teureren Therapien bei seltenen Krankheiten fest. Die Behandlung erfolgt durch wenige spezialisierte Ärzte. MediService hat diesen Trend aufgenommen und nennt sich nun Spezialapotheke. Diese Spezialmedikamente sind in der Regel sehr teuer.
Davon leben Sie als Versandapotheke.
(unterbricht) Entschuldigung – Spezialapotheke.
… als Spezialapotheke. Die Kritik der klassischen Apotheken ist, dass sie den kleinen Notfall im Laden haben. Finger verbrannt, Nagel gerissen. Viel Beratungsaufwand, kleiner Umsatz, hohe Präsenzzeiten und so weiter. Die teuren Medikamente der chronisch kranken Patientinnen und Patienten mit relativ hohen Margen und kleinem Aufwand schnappen ihnen dann die Versandapotheken weg. Ist das nicht ungerecht?
Für Offizinapotheken ist gerade der Umgang mit diesen teuren Spezialmedikamenten uninteressant. Die Margen sind gesetzlich plafoniert. Die Offizinapotheken haben diese Medikamente nicht an Lager und haben bei seltenen Krankheiten kaum Erfahrung. MediService versorgt Patienten in der ganzen Schweiz mit diesen Spezialmedikamenten und hat dadurch ein grosses Know-how. Wir bieten den Kunden eine Therapieunterstützung durch ensprechend ausgebildete Pflegefachpersonen für Spezialmedikamente an. Die Kundinnen und Kunden stehen hier im Zentrum, nicht die Apotheken. Eine Offizinapotheke kann den Kunden gar nicht das Gleiche bieten. Unser Angebot steht und wird rege genutzt – weil die Kunden das so wollen und nicht, weil wir sie mit Werbung dazu bewegen.
Andere werben eher aggressiv und wurden auch schon von den Behörden zurückgebunden.
Das wollen wir nicht und das können wir nicht. Schauen Sie sich die acht Thesen der Studie einmal genauer an. Die Thesen 1, 3, 4, 5 und 6 sind genau die Gründe für unseren Erfolg. Allerdings sind wir schon etwas länger unterwegs seit 2015, das Datum der Studie. Die Entwicklung spielt uns einfach in die Hände und wir haben gelernt, sehr genau zu beobachten, was unsere Kundinnen und Kunden von uns wollen. Der Rest ergibt sich durch Empfehlungen von Kunde zu Kunde oder durch den Arzt.
Dann waren Sie mit Ihrem Geschäftsmodell nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort?
Wenn Sie so wollen, sind wir seit zwanzig Jahren einfach immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Auch eine Leistung, finde ich … Viel mehr macht auch ein Weltklassestürmer wie Ibrahimovic nicht. Und wir arbeiten sehr hart daran, das in der Zukunft beizubehalten …
Besten Dank für das Gespräch.
MediService AG
MediService führt Bewilligungen als Offizinapotheke, als Versandapotheke und Grosshändler. Das Unternehmen ist Teil der Galenica AG und versorgt seine Kunden per Post mit rezeptpflichtigen Medikamenten. Zusammen mit verschiedenen Partnerorganisationen bietet MediService Angebote für Langzeitpatienten mit seltenen Krankheiten und weitere Dienstleistungen bis hin zu aktiver Betreuung und Unterstützung zu Hause.
René Marksitzer
René Marksitzer studierte und doktorierte an der ETH Zürich Naturwissenschaften. Danach wechselte er in die Pharmaindustrie. Seit 2009 ist René Marksitzer bei MediService Business Unit Leiter PDS und Mitglied der Geschäftsleitung.