Thierry-Kurtzemann_Akademie_StGallen

Mission Aufstieg

Wenn es um Bildung geht, geniesst die Schweiz – und besonders St.Gallen – einen hervorragenden Ruf. Doch der Wettbewerb unter den Bildungseinrichtungen nimmt zu. Zudem wird die Frage, was eine gute Bildung heutzutage ausmacht, kontrovers diskutiert. Thierry Kurtzemann, Schulleiter der Akademie St.Gallen, erzählt uns, wie er aus der Masse der Bildungsangebote heraussticht und seine Akademie damit im Spiel hält.

Der Rohstoff der Schweiz steckt in den Köpfen ihrer Bevölkerung. Man nennt ihn auch die «graue Substanz». Dass dieser Rohstoff nicht versiegt, sondern im Gegenteil stetig nachwächst und besser wird, dafür sollen die Bildungseinrichtungen sorgen: Institutionen wie die Akademie St.Gallen, die sich der beruflichen Weiterbildung im Bereich Wirtschaft verschrieben hat.

Herr Kurtzemann, Sie sind Schulleiter der Akademie St.Gallen. Wie sorgen Sie dafür, dass der Schweiz der Rohstoff – also die Bildung – nicht ausgeht?
Indem wir Lehrinhalte spannend vermitteln und versuchen, Begeisterung für eine Weiterbildung auszulösen. Wir schauen, welche Kompetenzen in den nächsten zehn, zwanzig Jahren wohl gefragt sein werden, und richten unser Programm darauf aus. Wir springen nicht auf jeden Trend auf, sondern hinterfragen seine Langfristigkeit. Dabei geht es auch um das lebenslange Lernen. Bei uns können sich Erwachsene nach einer abgeschlossenen Ausbildung oder mitten im Berufsleben weiterbilden

Um danach aufzusteigen?
Nicht nur. Sicher, es gibt immer Studierende, denen es lediglich um die Karriere geht. Aber das sind nicht unbedingt die erfolgreichsten. Wichtiger ist das, was man intrinsische Motivation nennt: sich einem Fachgebiet wirklich verschreiben, sich weiterentwickeln und etwas lernen wollen. Aber der Arbeitsmarkt ist knallhart. Da geht es doch nicht nur um die Liebe zu seinem Fachgebiet, sondern darum, arbeitsmarktfähig zu bleiben. Es geht um den Ligaerhalt, nicht nur um die Freude am Spiel.

Das stimmt. Man muss heutzutage dranbleiben, sich gegen Besserqualifizierte behaupten. Oder gegen Konkurrenz aus dem Ausland. Unser Arbeits- und auch der Bildungsmarkt befinden sich im globalen Wettbewerb. Aber auch hier bleibe ich dabei: Nur wer wirklich Interesse an seinem Fach hat und die Weiterbildung nicht nur für das Diplom besucht, wird wirklich zu den Besten gehören. Um es in der Fussball-Metapher zu sagen: Nur wer mit Leidenschaft spielt, wird gewinnen.
Konkurrenz ist ein grosses Thema im Bildungsbereich. Nicht nur die Arbeitnehmer spüren sie. Auch die Schulen haben mit ihr zu kämpfen. Das liegt vor allem daran, dass heute die Studierenden und nicht mehr die Bildungsinstitute subventioniert werden, was wiederum zu einem Überangebot an Lehrgängen führt. Dazu kommt die demografische Entwicklung. Es gibt einfach weniger Nachfrage nach einem grösseren Angebot

Was tun Sie als Schulleiter gegen die Konkurrenz durch andere Schulen – staatliche wie private?
Zum einen setzen wir uns ausführlich mit unseren Lehrinhalten auseinander. Sie sind bis ins Detail durchdacht. Zum anderen kommen unsere Dozierenden aus der Praxis und werden ständig didaktisch weitergebildet. Darüber hinaus bieten wir unseren Studierenden einmalige Erfahrungen. Demnächst geht es für jene aus dem Finanzbereich zum Beispiel für fünf Tage an die Wall Street nach New York.

Das tönt sehr gut. Ihre Idee?
Nein, nicht meine alleine. Solche Entscheidungen treffe ich gemeinsam mit den Abteilungsleitern. Auch was die Lehrpläne und das Marketing angeht, arbeiten wir im Team. Schliesslich kennt sich jeder in seinem Bereich am besten aus.

Sie entscheiden also auch als Schulleiter nicht allein?
Nein, auch Schule ist Teamarbeit. Und trotzdem liegt die Verantwortung letztendlich bei mir. Vielleicht kann man meinen Job mit dem eines Fussballtrainers vergleichen: Auch ich muss ein gutes Team aufstellen und bei Schwierigkeiten immer einen Plan B in petto haben. Ich muss taktieren, motivieren und die Akademie im Spiel halten.

Bildung ist eine Sportart, bei der die Schweiz im internationalen Vergleich sehr gut abschneidet. Obwohl die Maturitätsquote niedriger liegt als zum Beispiel in Deutschland. Oder vielleicht gerade deshalb? Hierzulande geniesst die Berufsausbildung noch immer einen guten Ruf. Noch. Doch viele Eltern würden heute ihre Kinder lieber studieren sehen. Diese Akademisierung hat ihren Preis. Wichtiges praktisches Know-how droht der Wirtschaft verloren zu gehen – und mit ihm auch das Fachpersonal. Berufsbegleitende Bildungseinrichtungen wie Höhere Fachschulen halten dem entgegen. So können Absolventinnen und Absolventen der Höheren Berufsbildung das in den entsprechenden Lehrgängen vermittelte Wissen direkt on the job umsetzen. Dabei profitieren sie von ihrer langjährigen Erfahrung. In der Schweiz ist es Tradition, eine Karriere grundsolide zu starten. Niemand wird nur wegen seiner Ausbildung Chef. Auch hier passt er wieder, der Fussball-Vergleich: Jeder Trainer muss einmal Fussball gespielt haben, um seinen Job glaubhaft und erfolgreich ausüben zu können. Und ein jeder startet erst einmal in einer der unteren Ligen.

Herr Kurtzemann, hat das Image der Berufsausbildung in den letzten Jahren gelitten? Was ist Ihre Erfahrung?
Ja und nein. Unsere Gesellschaft wird immer stärker akademisiert. Jedes Kind soll studieren. Egal was, Hauptsache Uni, habe ich das Gefühl. Die Lehre geniesst nicht mehr ein so hohes Ansehen. Dabei ist es schlau, ein Handwerk von der Pike auf zu lernen. Die Weiterbildung kann man dann immer noch draufsetzen.

Zum Beispiel bei der Akademie St.Gallen?
Im besten Fall, ja. (lacht) Nein, im Ernst: Die fortschreitende Akademisierung ist ein Thema, welches uns in den kommenden Jahren intensiv beschäftigen wird. Mein Ziel ist es, die jungen Leute für eine berufsbegleitende Ausbildung zu begeistern. Diese kann am Schluss aufgrund der Durchlässigkeit des schweizerischen Bildungssystems auch an einer Fachhochschule oder gar an einer Universität enden. Nur wer betriebswirtschaftliches Wissen mit seiner beruflichen Tätigkeit verbinden kann, lernt effizient und schafft seinem Arbeitgeber damit einen höheren Nutzen.

Einigkeit herrscht inzwischen darin, dass es mit dem Lernen nach der Ausbildung oder dem Studium nicht vorbei ist. Das Schlagwort heisst «lebenslanges Lernen» und Bildungseinrichtungen wie die Akademie St.Gallen machen genau das möglich. Doch noch ein neuer Begriff hat sich in die Bildungsdebatte geschlichen, nämlich «Kompetenzorientierung». Gemeint ist, dass es in Zukunft mehr um die Handlungskompetenz geht als um das reine Fachwissen. Schliesslich muss der Grossteil des Wissens in konkretes Handeln fliessen, damit es für die Firmen wertschöpfend wird.

Was meinen Sie, Herr Kurtzemann? Was ist die Hauptaufgabe einer Schule?
Ich erkläre das vielleicht am besten am Beispiel unserer Managementlehrgänge: Da stehen das Vermitteln eines bestimmten Gesamtverständnisses sowie die Schulung des analytischen Denkvermögens im Vordergrund. Unsere Absolvierenden sollen Trends analysieren können und die richtigen Massnahmen daraus ableiten. Dabei sollen sie sich auf die vermittelten Managementinstrumente und Führungsmethoden stützen.

Das heisst, Sie verbinden Kompetenz- und Theorievermittlung?
Ja, das eine geht nicht ohne das andere. Unsere Umwelt wird immer komplexer und die zu verarbeitenden Informationsmengen sind im angebrochenen Zeitalter der Digitalisierung gigantisch. Da werden das persönliche wie auch das institutionalisierte Wissensmanagement in einem Unternehmen zum zentralen Erfolgsfaktor.

Und zu diesem Wissensmanagement gehört auch die Weiterbildung der Mitarbeitenden?
Das kann man so sehen. Ohne lebenslanges Lernen geht es heute kaum noch. Wir leben in einer Wissensgesellschaft. Und das Wissen vermehrt sich ständig. Weiterentwickeln! Das müssen sich in dieser Geschichte alle: Die Arbeitnehmer, die es sich zwischen Auf- und Abstieg nicht leisten können, einfach stehen zu bleiben. Die Bildungseinrichtungen, die sich gegen die Konkurrenz behaupten müssen, um am Ball zu bleiben. Und das Schweizer Bildungssystem selbst, das im globalen Wettbewerb – der Champions League – seinen Platz an der Spitze verteidigen muss.

Besten Dank für das Gespräch.

Thierry Kurtzemann
Nach seinem Wirtschaftsstudium in Basel promovierte er an der Universität St.Gallen. Danach stieg er in die Höhere Berufsbildung ein, wurde Leiter eines privaten Bildungsanbieters und wechselte schliesslich in seine heutige Position als Schulleiter der Akademie St.Gallen.

Akademie St.Gallen
Die Akademie St.Gallen bietet über 40 Lehrgänge in der Höheren Berufsbildung und in den Bereichen Management und Führung sowie fachspezifische Weiterbildungen. Träger der Akademie ist der Kanton St.Gallen.

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