Wenn du es träumen kannst, dann kannst du es auch tun! Was nach Macho-Kalenderspruch von Clint Eastwood oder Chuck Norris tönt, kommt weder von einem dieser beiden, noch von Fabio Chiarelotte. Doch passen würde er auf diese Geschichte wie ein Land Rover auf die wilden Strassen Suveretos.
Wer Olten kennt, also nicht nur einmal in Zug oder Auto hindurch oder daran vorbei geeilt ist, weiss, dass es ein Kaff ist. Nicht böse gemeint, eine kleiner Ort am Jurasüdfuss, ein bisschen Altstadt, ein bisschen Industrie, die Aare, ein Humorfestival und das berühmte Bahnhofsbuffet. Aber eben auch ein Kaff. In eben diesem Olten wuchs Fabio Chiarelotto auf. Die Grosseltern kamen aus Italien und bauten sich eine schöne Existenz in der Textilbranche auf. Den jüngsten Sprössling zog es dann schliesslich an die Universität Zürich, wo er Ethnologie studierte. Ab dann wir die Geschichte wild. Wirklich wild! Wir treffen den Exil-Solothurner an einer Tankstelle in Suvereto in der südlichen Toscana vor einem Fotoshooting zum Interview.
Fabio Chiarelotto, wo kommen Sie gerade her?
Aus dem Rebberg. Auch wenn es jetzt erst kurz vor Mittag ist, ich habe schon einen ganzen Arbeitstag hinter mir. Das liegt nicht daran, dass ich nur halbtags arbeiten würde. Aber 2015 ist auch für unsere Verhältnisse ein unglaublich heisses Jahr, deshalb fangen wir schon in der Nacht an mit den Arbeiten und machen dann ab Mittag nichts mehr draussen.
Und was machen wir jetzt? Erstmal essen gehen, würde ich sagen. Nur weil es heiss ist, müssen wir ja nicht hungern, oder?
Die Unterhaltung führen wir in einer kleinen Osteria zwischen Suvereto und Follonica fort.
Fangen wir nochmals an. Sie haben also in Zürich Ethnologie studiert. Jetzt sind Sie Winzer in der Maremma. Welche verschlungenen Wege hat Ihr Leben denn genommen?
Eigentlich gar keine verschlungenen Wege. Ich wollte das studieren, weil es mich interessierte. Dann wollte ich Wein machen, was ich dann auch sofort umgesetzt habe. Dazwischen lag eingentlich nicht viel ausser 700 Kilometer Autobahn und, nicht zu vergessen, eine ganze Menge italienischer Bürokratie.
Ein sehr direkter Ansatz. Aber, wieso dann die Maremma? Suvereto war ja zu der damaligen Zeit eher noch ein weisser Fleck auf der Landkarte, was Wein angeht. Wieso nicht Piemont, Montalcino oder wenigstens Bolgheri?
Vielleicht genau deswegen, weil es ein weisser Fleck war. Wenn ich nach Montalcino gegangen wäre, dann wäre es klar gewesen, dass man dort einen Brunello macht. Ich hätte also versucht, einen perfekten Brunello zu machen, wie alle anderen auch. In Panzano hätte ich dem Modell des Chianti nachgeeifert und auch in Bolgheri waren ja Sassicaia, Ornellaia & Co. schon als Ikonen da. Hier, rund um Suvereto hatten wir ein komplett anderes Klima und keine berühmte Vorbilder. Also sehr gute Voraussetzungen und viel Platz für eigene Visionen. Ich hatte eine Vorstellung, ein Bild im Kopf, wie ich meinen Wein machen wollte, wie das Resultat aussehen, schmecken, riechen sollte. Und hier war Platz. Nicht nur räumlich, auch mental.
Also noch nichts da. Hatten Sie keine Zweifel daran, ob sie es schaffen würden, Ihre Vision umzusetzen? Interessanterweise nicht. Ich hatte diese Bild in mir, ich musste ihm nur folgen.
Wie nahe sind Sie ihm heute gekommen, ihrem Idealbild. Das ist so eine Frage, die kaum zu beantworten ist. Vor allem nicht durch einen Winzer (lacht). Für uns ist natürlich immer gerade der Jahrgang, den es zu verkaufen gilt, der perfekte, den die Kunden unbedingt kaufen sollen. Aber im Ernst: Ich bin immer auf der Suche, immer auf dem Weg, eigentlich fast nie wirklich zu 100 Prozent zufrieden. Alles in allem bin ich aber meinem Ideal mittlerweile doch schon recht nahe gekommen.
Der Mann stapelt tief wie einer, der weiss, was er schon alles erreicht hat. Der weltweit wichtigste Weinkritiker Robert Parker bewertet seine Weine immer mit extrem hohen Noten von bis zu 97/100 Punkten und attestiert sogar seinem einfachsten Wein «A Quo» eine «absurd hohe Qualität für den Preis».
Wir sind heute gekommen, um Bilder von Ihnen und Ihrem Weingut zu machen. Was sollen wir zeigen?
Diesen magischen Ort, der so wild ist, so hart und staubig und doch so surreal schön. Dieses vergessene Stück Land am Ende der Welt. Ich möchte, dass ein Betrachter die Bilder anschaut und sie dann auch sieht sieht, sie spürt, meine Vision vom perfekten Wein.
Wir wünschen eine gute Ernte und danke für das Gespräch.