Keila Gromann Porträt

Wer E-Mail-Marketing als technisches Projekt sieht, scheitert.

Der Kanal gilt in gewissen Kreisen als antiquiert und ausrangiert. Gleichwohl wird im Geschäftsleben tagtäglich millionenfach via E-Mail kommuniziert. Wer sich dabei mit qualitativ hochstehenden und relevanten Inhalten von der Masse abheben könne, erziele nach wie vor beachtliche Erfolge, findet Keila Gromann, E-Mail-Marketing-Spezialistin bei der Zürcher Agentur Therefore.

E-Mails gehören in Zeiten der rasanten Digitalisierung schon zu den «Dinosauriern» des Onlinemarketings. Für wie zeitgemäss halten Sie E-Mail-Marketing?
Gegenfrage: Wie oft verschicken Sie E-Mails in der täglichen Kommunikation? Das E-Mail ist immer noch die Nummer 1 in der B2B-Kommunikation. Privat haben E-Mails allerdings rasant an Bedeutung verloren. Aber unsere Kunden schreiben und erhalten sicher zwanzig Mal mehr elektronische Post als gedruckte Briefe. Damit E-Mail-Marketing funktioniert, muss es aber gut sein. Mit schlechtem E-Mail-Marketing passiert dasselbe wie mit anderer schlechter Kommunikation: Die Nachricht landet im Papierkorb. Diese Art von Marketing gehört als Kanal für Content in jeden guten B2B-Marketing-Mix und eignet sich auch in der B2C-Kommunikation.

Spüren Sie denn von Seiten Ihrer Kunden noch konkrete Bedürfnisse für strategisches E-Mail-Marketing?
Wenn es um messbare Resultate und konkret zu erreichende Ziele geht und ein Kunde eine mittel- oder langfristige Perspektive hat, ist E-Mail-Marketing immer noch beliebt. Es steht und fällt allerdings mit der Qualität der CRM-Datenbank. Ein gut geführtes CRM ist die Basis für ein wirksames E-Mail-Marketing, das seine Ziele wirklich erreicht. Eine Tabelle, die nicht gepflegt wird und irgendwelche Mailadressen enthält, ist nicht zu gebrauchen. Vom Kaufen oder Mieten von Adressen und Investieren in fremde Verteiler ist abzuraten

Welche Mehrwerte kann E-Mail-Marketing gegenüber neueren Methoden nach wie vor ausspielen?
Es kann die ganze Kraft von guten Kundendaten nutzen und sehr relevant und hochwirksam eingesetzt werden. Gutes E-Mail-Marketing wird akzeptiert und wirkt sympathisch. Relevante Mails wirken pro Franken im B2B besser als alle anderen Medien, das haben wir x-fach gemessen.

Wie lange kann sich der klassische Newsletter noch halten?
Wenn Sie mit dem klassischen Newsletter ein unpersönliches Mail von der Adresse newsletter@xyz.ch meinen, das den Betreff «Newsletter» trägt und mit den Worten «Hallo, die Tage werden wieder länger …» beginnt, dann frage ich mich das auch. So etwas ist banal und hat eine negative Wirkung. Wenn mir aber mein Tierarzt von seiner persönlichen Adresse aus einen Gutschein für Katzenfutter schickt, zum 10. Geburtstag meines Katers Ueli gratuliert und mich von seinem ganzen Team grüssen lässt – dann kann ich das erstens nicht von einer persönlichen Nachricht unterscheiden und zweitens freue ich mich wirklich darüber.

Welche Herausforderungen muss denn E-Mail-Marketing heute bewältigen, um auch in fünf oder zehn Jahren noch die gewünschte Wirkung zu erzielen?
Hohe inhaltliche Qualität und vor allem Relevanz. Wer E-Mail-Marketing als technisches Projekt sieht, scheitert. Es geht ausschliesslich um Inhalte. Die Aussagen «Fürs Texten holen wir einen Praktikanten» oder «Die Texte kann ja der Lieferant bringen» stehen am Anfang eines scheiternden Projektes. Dasselbe gilt übrigens auch für Websites.

Welche Zukunft sagen Sie dem E-Mail-Marketing voraus?
Die schlechten E-Newsletter werden langsam aussterben und durch andere, wohl ebenfalls schlechte Kommunikation ersetzt werden. Wer bei E-Mails keinen Wert auf Qualität legt, wird seine Kunden eben über einen anderen Weg nerven. Unser Medienkonsum verändert sich ständig. Auch Mails werden immer häufiger durch Tools wie zum Beispiel Slack ersetzt. Doch ich glaube an gutes E-Mail-Marketing, solange das E-Mail ein relevantes Kommunikationstool bleibt. Es wird bestehen oder gehen, zusammen mit dem Medium.

Kennen Sie konkrete Beispiele von erfolgreichem E-Mail-Marketing, das zukunftsweisend sein könnte?
Wir haben mehrere Kunden, die hochqualitative Inhalte in ihrer Nische per E-Mail kommunizieren und dabei Klickraten von 70 Prozent erreichen. Bildungsanbieter füllen zuverlässig und regelmässig ihre Kurse per E-Mail-Angebot. Zukunftsweisend sind aber diejenigen Konzepte, die nicht nur einem klassischen Redaktionsplan folgen, sondern sich am Kunden orientieren. Dazu braucht es ein integrales Kommunikationskonzept und eine moderne Software. Das Gute daran: Es kostet viel weniger, als man denkt. Der Nachteil: Es muss über die ganze Unternehmung geplant sein. Wenn der Aussendienst nicht mitmacht oder die PMs das Konzept ignorieren, fällt es auseinander.

Welche wichtigsten Zutaten, abgesehen von der inhaltlichen Qualität, machen eine Kampagne erfolgreich?
Gute Planung, Kenntnisse der Kunden, Konsequenz, Ausdauer und ständiges Messen und Optimieren der Ergebnisse. Die Messbarkeit und die Integration des Verkaufs sind die besten Aspekte von E-Mail-Marketing.

Wie wichtig ist es, dass die Ansprache von Kunden via E-Mail zielgruppenspezifisch erfolgt? Wie soll zum Beispiel die junge Generation angesprochen werden?
Auch hier lautet die Antwort: durch relevante Inhalte. Da gibt es eigentlich keinen Unterschied zwischen den Altersklassen. Ist der Inhalt qualitativ hochstehend und interessant, wird die Nachricht gelesen. Auch bei Jugendlichen ist dieser Faktor sehr wichtig, weil E-Mails als Medium an Bedeutung verlieren. Am Beispiel von Privatschulen: Die Klasse kommuniziert über WhatsApp untereinander, die Schule selbst jedoch über E-Mails mit den Schülern. Das hat den offizielleren Touch. Auch bei Webshops kann gut per Mail kommuniziert werden, denn oft ist dort die Mailadresse auch gleich ein Teil des Logins.

Gibt es auch empirische Daten zur Wirkung und Effizienz von E-Mail-Marketing?
Die Silverpop-Studie von IBM ist die grösste relevante Studie zu den klassischen E-Mail-Kennzahlen. An ihren Benchmarks kann man sich orientieren. Doch viel wichtiger ist, dass man die eigenen Kennzahlen kennt und sich permanent verbessert. Lernen kann man zum Beispiel aus regelmässigen A-/B-Tests. Wir haben selbst vor einiger Zeit eine Studie über die Zahlen unserer Kunden im Verhältnis zu den Silverpop-Resultaten durchgeführt. Das war spannend. Dann haben wir wieder damit angefangen, die Kennzahlen jedes einzelnen Kunden zu optimieren. Der Vergleich mit den Silverpop-Werten kann stolz machen und motivieren. Relevant sind aber immer die eigenen Zahlen. Umsatz und Kosteneffizienz zum Beispiel.

Interview: Robert Wildi für M&K